Donnerstag, 30. August 2012

NICHT Christine

Heute gibt es zur Abwechslung mal etwas, das meiner eigenen Feder entsprungen ist. Ich hoffe, ihr habt Spaß beim Lesen:

Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als mein Vater den Oldtimer gekauft hat. Es war ein heruntergekommener 68er Plymouth Fury. Genau die Art Auto, die in Stephen King’s Roman „Christine“ vorkommt. Danach hatte ich wochenlang Alpträume und versuchte irgendwelche Veränderungen an meinem Vater festzustellen. Ich wollte vorbereitet sein, sollte sich herausstellen, dass das Auto ihn benutzen will, um uns alle zu töten. Aber falls es irgendwelche magischen Kräfte besaß, die Familienväter in mordende Bestien verwandeln und schlimme Akne verschwinden lassen konnten, dann haben sie sich nie gezeigt. Was vielleicht auch daran lag, dass mein Vater das Auto, anders als der Protagonist King’s Geschichte, nicht zärtlich mit einem Frauennamen bedachte, sondern es, nachdem sich herausstellte, wie viel Zeit und Geld es kosten würde, es wieder herzurichten, nur noch „die Karre“ nannte. Ich habe ihm im Spaß mal vorgeschlagen, er könnte es doch wie im Buch einmal mit Rückwärtsfahren versuchen und sehen, ob sich das Auto von allein wieder instand setzte. Zu diesem Zeitpunkt stand „die Karre“ bereits einige Monate in unserer Garage und ich träumte längst nicht mehr davon, dass sie plötzlich zum Leben erwachte und sich ihre Motorhaube als grausiger Schlund mit Reißzähnen herausstellte. Mein Vater fand die Idee nicht besonders lustig, allerdings sah er mich dabei mit einem Gesichtsausdruck an, dass ich fast schwören könnte, dass er es tatsächlich einmal ausprobiert hatte.
Jetzt blockierte „die Karre“ also unsere Garage, abgesehen von vereinzelten Samstagnachmittagen im Abstand von etwa zwei Monaten, wenn mein Vater sich vornahm, endlich richtig viel Zeit reinzustecken und sie dann für gutes Geld zu verkaufen. Natürlich hielt dieser Vorsatz bestenfalls bis Sonntagnachmittag, wenn „die Karre“ wieder für weitere zwei Monate in der Garage verschwand. Meine Mutter war nur noch angenervt. Vor allem, weil jetzt unsere beiden funktionierenden Autos die Einfahrt zuparkten. Die Situation führte zu unablässigen Diskussionen zwischen meinem Vater und meiner Mutter, die alle zwei Monate darin gipfelten, dass – ihr ahnt es schon – mein Vater „die Karre“ aus der Garage holte und einen Samstagnachmittag lustlos daran herumbastelte.
Dieser für uns alle unbefriedigende Zustand erstreckte sich über etwa zwei Jahre. Dann hatte meine Mutter meinen Vater endlich weich geklopft oder er hatte einfach keine Lust mehr. Er fuhr „die Karre“ aus der Garage und stellte sie mit einem „Zu verkaufen“-Schild auf unserem Rasen ab. Zwar war meine Mutter nicht viel glücklicher darüber, dass dieses „schrottreife Monster“ wie sie „die Karre“ immer nannte, jetzt gut sichtbar für alle Nachbarn auf unserem Rasen stand, aber sie hoffte einfach, dass sich möglichst schnell ein Dummer finden würde (ihre Worte, nicht meine), der es kaufte. Leider war dem nicht so. Die Tage und Wochen vergingen und sie war fast so weit, meinem Vater vorzuschlagen, das „schrottreife Monster“ doch einfach zum nächsten Schrottplatz zu fahren und es dort bei seinesgleichen zu lassen, als es an unserer Tür klingelte.
Vor uns stand ein etwa 20-jähriger junger Mann mit sehr schlimmer Akne, der fragte, wie viel wir denn für „das Prachtstück“ auf unserem Rasen haben wollten. Mein Vater knöpfte ihm nur unwesentlich mehr dafür ab, als er selbst dafür bezahlt hatte und „der Dumme“ nahm das Auto mit und hatte dabei den glückseligen Gesichtsausdruck der Unwissenden, die glauben sie hätten ein Wahnsinns-Schnäppchen gemacht. Ich bin mir sicher, noch in derselben Nacht hat er das mit dem Rückwärtsfahren ausprobiert. Das Gesicht hätte ich zu gerne gesehen.

1 Kommentar:

  1. Und weil du gestern ja schon ein Tränchen verdrückt hast... lese ich heute einfach weiter :)

    Das Ende ist herzallerliebst, wobei ich mi dem jungen Akne-Buben ein kleines bisschen Mitleid habe. Das passt aber auch wieder gut zum Wahnsinn, mit dem man sich das Leben erträglicher macht. Und ich frage mich, welche Vorbereitungen man denn so trifft, wenn man damit rechnet, dass einen das Auto des Vaters umbringen will. Marder anlocken?

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