Freitag, 14. September 2012

Satan's Braten

Hier noch mal eine nicht ganz so kleine Geschichte, die aus einer Aufgabe meiner Schreibgruppe heraus entstanden ist. Mein Schlagwort war "Satansbraten". Ich habe es allerdings etwas anders interpretiert:
„Okay, die Vorspeise hat ihm schon mal nicht geschmeckt“, polterte Unterster Unterteufel 237 durch die Schwingtür in die Küche. „Ich hoffe, du reißt das beim Hauptgang wieder raus. Ich habe nämlich keine Lust, dir heute Abend im Fegefeuer Gesellschaft zu leisten.“
Er blickte sich in der Küche um, aber Unterster Unterteufel 402 war nirgends zu sehen.
„Was zum Geier?“ wunderte er sich. Da hörte er ein Schluchzen, das von irgendwo unter dem Tresen zu kommen schien. Er bückte sich und sah Untersten Unterteufel 402, der eingequetscht zwischen Herd und Wand in der Ecke saß und heulte.
„Was machst du da?“ fragte er und kroch unter dem Tresen durch. „Er wartet auf seinen Hauptgang. Und du weißt, dass er Warten hasst.“
Unterster Unterteufel 402 fing nur noch stärker an zu heulen.
Unterster Unterteufel 237 fluchte. „Verdammt, du bringst uns noch in …“ Er stockte. Er hatte sagen wollen in Teufels Küche. „Was ist denn eigentlich los?“
Unterster Unterteufel 402 sah ihn aus seinen verheulten Augen an und brachte zwischen zwei Schluchzern hervor „Er ist weg.“
„Wer ist weg?“ fragte Unterster Unterteufel 237.
Unterster Unterteufel 402 holte tief Luft und stieß dann heulend hervor: „Der Hauptgang. Er ist weg. Ich war nur mal ganz kurz draußen und als ich wieder kam war er weg. Irgendjemand hat ihn geklaut und jetzt werde ich in irgendeiner der unteren Höllen landen, in einer von den wirklich schlimmen. Vielleicht in der, wo sie dir alle Haare am Körper ausreißen. Einzeln. Und erst aufhören, wenn du komplett kahl bist.“ Er blickte entsetzt auf seinen stark behaarten Körper hinunter. „Oder in die eiskalte Hölle. Oder“, er packte Untersten Unterteufel 237 an der Schulter, „oder in der Justin Bieber Hölle. Er wird mich doch nicht in die Justin Bieber Hölle stecken?“
Unterster Unterteufel 237 schüttelte seine Hand ab. „Nein, die ist nur für die Eltern von pubertierenden Teenagern. Und jetzt hör auf zu flennen und sag mir, was wir jetzt machen sollen. Kannst du nicht noch schnell was zaubern?“
Unterster Unterteufel 402 warf die Hände in die Luft. „Und ihm etwas anderes servieren als auf der Karte steht?“ Er heulte schon wieder.
„Besser als ihm gar nichts zu servieren“, warf Unterster Unterteufel 237 ein.
„Aber ich hab nichts da“, Unterster Unterteufel 402 war jetzt dazu übergegangen, seine Hände zu kneten als wären sie ein Hefeteig. „Ich hab nichts vorbereitet, nichts was so schnell fertig wäre. Alles bräuchte mindestens eine Stunde. Unmöglich das hinzukriegen, ohne dass er nicht 50 Minuten vorher hier reinstürmt und wissen will, wo sein Essen bleibt.“
„Wie wärs mit kalter Küche?“ fragte Unterster Unterteufel 237.
„Kalte Küche?“ Bist du verrückt? Das hier ist die Hölle.“
Da war was dran. Unterster Unterteufel 237 fing an rastlos hin- und herzulaufen. Vom Herd zum Kühlschrank, vom Kühlschrank zum Tresen und wieder zurück. Dabei murmelte er vor sich hin. „Warum heute Abend? Warum ausgerechnet heute Abend? Morgen ist mein freier Tag. Wenn ich das dämliche Arschloch erwische, der wird in seinem Leben nach dem Tod nicht mehr froh.“
Er überlegte, wer so verrückt gewesen sein konnte, ausgerechnet Satans Abendessen zu stehlen. Klar war auf jeden Fall, dass er ihn erwischen musste und sei es nur, um ihm heimzuzahlen, dass er ihm seinen freien Tag so gründlich versauen würde. Er hatte ihn damit verbringen wollen, hauptsächlich nichts zu tun und zum Nachmittag hin vielleicht ein paar böse Buben ein bisschen zu foltern. Sicher aber nicht damit, selbst gefoltert zu werden. Und darauf lief es jetzt wohl hinaus.
In diesem Augenblick betrat Unterster Unterteufel 816 die Küche. Er trug die leicht angewiderte Miene zur Schau, die er immer aufsetzte, wenn er mit einem der anderen Untersten Unterteufel sprach. Er hielt sich für was Besseres und hoffte jeden Tag, endlich zum Unterteufel aufzusteigen, um mit dem niederen Abschaum nicht mehr so viel zu tun haben zu müssen.
In gestelztem Tonfall sagte er: „Könntet ihr mir freundlicherweise sagen, was ihr hier treibt? Seine Bösartige Fürstlichkeit hat bereits zweimal nach seinem Essen gerufen. Er wird langsam ungehalten.“
Unterster Unterteufel 237 bekam einen roten Kopf. Wenn er diesen eingebildeten Fatzke nur reden hörte, mit seiner pseudo-aristokratischen Art und diesem Gesichtsausdruck als hätte er einen Strauß Wiesenblumen unter der Nase. Von wegen Seine Bösartige Fürstlichkeit wurde ‚langsam ungehalten‘. Der Oberste Teufel wurde nicht ungehalten. Ungehalten war was für Weicheier mit parfümierten Taschentüchern. Satan wurde stinksauer und wenn Satan stinksauer wurde, dann Gnade dem Beelzebub, der dafür verantwortlich war.
„Also?“ fragte Unterster Unterteufel 816. „Was ist jetzt? Wo bleibt der Hauptgang? Ihr wollt mir doch nicht etwa sagen, dass ich jetzt rausgehen muss, um seiner bösartigen Fürstlichkeit zu sagen, dass ihr sein Essen noch nicht fertig habt.“
Unterster Unterteufel 237 öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, überlegte es sich dann anders und nahm stattdessen seine Wanderung durch die Küche wieder auf, wobei er deutlich vernehmbar mit den Zähnen knirschte.
Unterster Unterteufel 402 reagierte überhaupt nicht. Er hatte seinen Kopf in seinen Händen vergraben und weinte, während er rhythmisch vor und zurück schaukelte.
Unterster Unterteufel 816 blickte irritiert von einem zum anderen. Er konnte solch ein disziplinloses Verhalten nicht verstehen. Kein Wunder, dass er sich den anderen Untersten Unterteufeln überlegen fühlte, hatte er doch als einziger etwas, dass Selbstbeherrschung gleichkam.
Er räusperte sich, um wenigstens ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit zu erlangen. „Ich bin wirklich nicht her, um eure Arbeit zu erledigen. Wie schwierig kann es denn bitte sein, einfach etwas in einen der Superhöllenschnellkochtöpfe zu werfen und seiner bösartigen Fürstlichkeit zu servieren. Es ist schließlich nicht so, als würde er darauf bestehen, dass das Fleisch nur halb durch ist oder als würden ihn die Gewürze tatsächlich interessieren, die ihr immer zu eurem eigenen Vergnügen verwendet. Das hier ist die Hölle, lieber Luzifer, und nicht einer dieser schicken Gourmettempel, die sie auf der Erde haben. Ich sehe also wirklich nicht, wo das Problem ist.“
Er war so vertieft in seine Standpauke, dass er nicht mitbekam, dass Unterster Unterteufel 237 stehengeblieben war und ihn mit großen Augen und einem seligen Grinsen anstarrte, als sei ihm gerade ein Licht aufgegangen. Erst als er ihm auf die Schulter schlug, ausrief „Du hast völlig recht!“ und ihn packte, begann Unterster Unterteufel 816 aus seiner rechtschaffenen Empörung aufzutauchen. Da war es aber schon zu spät.
Unterster Unterteufel 237 hob ihn mit dem rechten Arm hoch, während er mit der linken Hand die Klappe des 27-Sekunden-Bräters öffnete. Dabei ignorierte er sowohl die Protestschreie von Unterstem Unterteufel 816 wie auch die halbherzige Empörung von Unterstem Unterteufel 402, der den 27-Sekunden-Bräter nie benutzte, weil er ihn für unter seiner künstlerischen Würde als Satans Gourmetchef hielt. Er warf Untersten Unterteufel 816 ins Bratrohr, schlug die Klappe zu und betätigte den großen, roten Startknopf auf der Vorderseite.
Mit einem lauten Röhren und einer Stichflamme, die die letzten Schreie von Unterster Unterteufel 816 abrupt abschnitt, setzte sich der Bräter in Gang. Fasziniert starrte Unterster Unterteufel 237 auf das Inferno hinter der Glasscheibe, bis 27 Sekunden später ein lautes Ping das Ende des Bratvorgangs verkündete. Er öffnete die Klappe und entnahm den Braten, der bis vor 27 Sekunden noch Unterster Unterteufel 816 gewesen war. Er packte ihn auf eine Platte, sparte sich die Mühe irgendwelcher Garnierung und trug den Hauptgang durch die Schwingtür in Richtung von Satans Speisesaal. Hinter ihm blieb ein verzweifelter Unterster Unterteufel 402 zurück, der, während er an der Wand hinab erneut in eine kauernde Position rutschte, etwas von Kunst des Kochens, Rosmarin und Radieschenröschen brabbelte.
Noch nie hatte Satan sein Abendessen so gut geschmeckt.

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